Neue Impfstoffplattform
Ein Forschungsteam des Paul-Ehrlich-Instituts hat eine Impfstoffplattform beschrieben, die eine umfassende Immunantwort generiert – und sich damit als Basis für Impfstoffe gegen neuartige Erreger qualifiziert.
Etwa 257 Millionen Menschen weltweit leiden an einer chronischen Leberentzündung, verursacht durch das Hepatitis-B-Virus (HBV). HBV verursacht nicht nur Leberentzündung, sondern auch Leberzirrhose und Leberkrebs. In vielen Fällen verursacht eine unzureichende zelluläre Immunabwehr durch T-Zellen die Entstehung der chronischen Infektion. Bei den bisher zugelassenen Impfstoffen gegen Hepatitis B beruht die Schutzwirkung vor allem auf der B-Zell-Antwort, der Bildung schützender Antikörper.
Neue Impfstoffkonzepte sollen deshalb eine breitere Immunantwort auslösen. Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen um Prof. Eberhard Hildt, Leiter der Abteilung Virologie, erforschten eine HBV-VLP-Impfstoffplattform. Sie basiert auf virusähnlichen Partikeln (Virus-like particles, VLPs) des Hepatitis-B-Virus. Es handelt sich dabei um ein modifiziertes Kapsid, regelmäßige Strukturen aus Proteinen, die der Verpackung des Virusgenoms dienen. Die Fusion des Kapsids mit einem TLM-Peptid (translocation motif) ermöglicht den VLPs, Zellmembranen zu passieren. Durch weitere Modifikationen baute das Forschungsteam eine Beladungsstelle für das Antigen ein, gegen das der Immunschutz aufgebaut werden soll.
Die Impfstoffplattform hat das Potenzial, eine effektive Immunantwort sowohl über die Bildung von Antikörpern als auch über die zelluläre Immunantwort zu induzieren - und eine nadelfreie Impfung zu ermöglichen.
Prof. Eberhard Hildt , Leiter der Abteilung Virologie
Mit In-vitro- und In-vivo-Methoden (Mausmodell) konnten sie nachweisen: Das Antigen gelangt durch die Membranen in die Zellen und verteilt sich im gesamten Organismus. Um die Wirksamkeit im Tiermodell zu prüfen, wurde das Kapsid mit einem Oberflächenantigen des Hepatitis-B-Virus beladen. Der Impfstoff erwies sich im Mausmodell als sehr wirksam: Die Mäuse entwickelten schützende Antikörper und eine spezifische T-Zell-Immunantwort, die zur Zerstörung von HBV-positiven Zellen führte. Letzteres könnte besonders für die Entwicklung einer Therapie gegen chronische Infektionen relevant sein. Da der Impfstoffkandidat Membranen passieren kann, könnte er nadelfrei – also oral oder transdermal als Pflaster – angewendet werden.
Damit steht eine Impfstoffplattform zur weiteren Entwicklung bereit. Beladen mit Antigenen anderer Erreger kann sie zur schnellen Entwicklung von Impfstoffen gegen neuartige Erreger beitragen.
Förderung
Deutsches Zentrum für Infektionskrankheiten (DZIF)
Literatur
Zahn T, Akhras S, Spengler C, Murra RO, Holzhauser T, Hildt E (2020): A new approach for therapeutic vaccination against chronic HBV infections.
Vaccine 38: 3105-3120.