Detaillierte 3D-Modelle von Virusstrukturen
Eine neue Forschungsgruppe kartiert mit innovativer 3D-Kryo-Elektronenmikroskopie die Oberflächenstrukturen von Viren – und analysiert im Forschungsverbund die Spike-Proteine von SARS-CoV-2.
Aus aktuellem Anlass untersuchte sie 2020 das RNA-Virus SARS-CoV-2. Prof. Jacomina Krijnse-Locker leitet seit Januar 2020 die DRUID-Forschungsgruppe Elektronenmikroskopie von Pathogenen am Paul-Ehrlich-Institut. Das LOEWE-Projekt DRUID hat zum Ziel, Angriffspunkte für die Entwicklung neuer Arzneimittel zu finden – von der Struktur der Erreger bis hin zum Infektionsmechanismus im Körper. Welche Schwachstelle hat das Virus, das Bakterium, der Parasit? Bei welchem Infektionsmechanismus könnte ein Arzneimittel eingreifen und eine Erkrankung verhindern? Prof. Krijnse-Locker untersucht mit ihrem Team große DNA-Viren als Modell und visualisiert mit 3D-Kryo-Elektronenmikroskopie Strukturen von Viren sowie Membranänderungen beim Eintritt in die Zelle – Momentaufnahmen einer Infektion. Aus aktuellem Anlass untersuchte sie 2020 das RNA-Virus SARS-CoV-2.
Oberflächenstrukturen von SARS-CoV-2
Das Spike-Protein ist für das Coronavirus der Schlüssel zur Infektion – damit bindet es an spezifische Rezeptoren auf der Zelloberfläche. Diese stachelförmigen Strukturen stehen auch im Mittelpunkt der Impfstoffentwicklung: Als Antigen induzieren sie eine Immunantwort, die Menschen vor COVID-19 schützt.
Prof. Krinsje-Locker und Priv.-Doz. Michael Mühlebach, Leiter des Fachgebiets Produktprüfung immunologischer Tierarzneimittel, analysierten mit ihren Teams die Oberflächenstruktur von SARS-CoV-2 im Verbund mit dem Europäischen Laboratorium für Molekularbiologie (EMBL), dem Max-Planck-Instituts für Biophysik sowie dem Institut für Biophysik der Goethe-Universität Frankfurt/Main mit modernsten bildgebenden Verfahren – Kryo-Elektronentomografie, Subtomogramm-Mittelung und Molekulardynamik-Simulation. Das ermöglichte eine strukturelle Analyse der Molekülstrukturen in natürlicher Umgebung in nahezu atomarer Auflösung. Die Forschenden konnten so wichtige Strukturinformationen von 40.000 Spikes gewinnen.
Wie ein Ballon an einer Schnur scheinen sich die Spikes auf der Oberfläche des Virus zu bewegen, um so den Rezeptor für das Andocken an der Zielzelle suchen zu können.
Prof. Jacomina Krijnse Locker , Leiterin der LOEWE-Forschungsgruppe Elektronenmikroskopie von Pathogenen
Der obere V-förmige Teil des Spikes weist unter natürlichen Bedingungen eine Struktur auf, welche die rekombinanten Proteine der Impfstoffe gut abbilden. Der Stiel des Spikes ist flexibel und kann Biegebewegungen ausführen. Analysen zeigten, dass der Stiel mit vielen Glykanketten versehen ist, die ihm eine Art schützenden Mantel verleihen. Das könnte ihn von neutralisierenden Antikörpern abschirmen.
Förderung
Landes-Offensive zur Entwicklung Wissenschaftlich-ökonomischer Exzellenz (LOEWE) des Landes Hessen: LOEWE-Projekt DRUID (Novel Drug Targets against Poverty-Related and Neglected Tropical Infectious Diseases)
Literatur
Turonova B, Sikora M, Schürmann C, Hagen WJH, Welsch S, Blanc FEC, Bülow von S, Gecht M, Bagola K, Hörner C, van Zandbergen G, Mosalaganti S, Schwarz A, Covino R, Mühlebach MD, Hummer G, Krijnse Locker J, Beck M (2020): In situ structural analysis of SARS-CoV-2 spike reveals flexibility mediated by three hinges.
Science 370: 203-208.